Freitag, 27. Mai 2011

Das Phänomen Mücke

Es ist Mückenzeit. Anders als die Weihnachtszeit ist dies allerdings kein Grund zur Freude. Nachdem mir die fliegende Penetranz die letzten Jahre jeden Sommer um die acht Wochen Schlaf und elf Liter Blut kostete, habe ich nun an jedem Fenster engmaschige Fliegengitter angebracht. Ich hätte auch Selbstschussanlagen ins Spiel gebracht, musste aufgrund der Gesetzgebung in diesem Punkt allerdings zurückstecken (noch).

Es gibt fast kein Geschöpf auf diesem Planeten, das mich so sehr aufregen kann wie diese Biester (was macht Paris Hilton eigentlich gerade?). Statistisch gesehen kennt jeder jemanden, der schon einmal schlechte Erfahrungen mit Mücken gemacht hat!

Ihr liegt im Bett, Halbschlaf, ihr hört ein Geräusch…in diesem Moment gibt es zwei Möglichkeiten: Mücke oder Lastwagen. Es ist faszinierend genug, dass ein entfernter Truck genauso klingt wie eine Mücke im Zimmer, aber noch faszinierender, dass man sich in diesem Moment so sehr wünscht, es sei ein Lastwagen, dass es einem sogar egal wäre, wenn dieser direkt durchs eigene Bett fahren würde.

Früher lieferte ich mir oft erbitterte Kämpfe mit den stechenden Dämonen. Diese fanden  meist gegen zwei Uhr morgens in meinem Schlafzimmer statt, ich in Shorts und mit Fliegenklatsche (ich muss zugeben, dass ich mir immer vorstellte, es sei ein Lichtschwert…ich bin halt irgendwie ein Nerd), Mücke mit Flügeln und Stechrüssel. Die Statistik war recht ausgeglichen. Manchmal habe ich sie zerfetzt, manchmal brach ich aber auch vor Übermüdung mitten im Zimmer zusammen und wachte nächsten Tag mit Stichen überseht auf dem kalten Boden auf. Doch diese Schlachten haben mich müde gemacht. Ich will nicht mehr kämpfen. Daher fahre ich nun die Fliegengitter-Schiene.

…aber ab und zu lasse ich doch noch eine Mücke rein, der alten Zeiten willen. Und dann hole ich mein Lichtschwert wieder aus dem Schrank…

Mittwoch, 4. Mai 2011

Auf den Zahn gekommen

Ich träumte ziemlich genau solange von einer Zahnspange, bis mir schließlich eine in den Mund gebaut wurde. Nach knapp vier Minuten mit dem Metall-Biest im Gesicht verflossen die romantischen Vorstellungen, welche sich bis dato in meinem Kopf eingenistet hatten („Cool! Meine Zähne sehen dann aus wie der Terminator!“). Es war, als schenkte man einem Jungen, der sich schon immer ein Haustier gewünscht hatte, ein tollwütiges Meerschweinchen ohne Beine. Ja, die Enttäuschung war groß und mit dem glänzenden Gerüst im Mund sollten zwei Jahre Schmerz, Verzicht und Freakshow beginnen…An diesem Tag endetet meine Kindheit.

Warum das alles? Mir wurde gesagt, mein Kiefer sei zu klein, so dass man Platz schaffen müsse, damit ich später meine Weisheitszähne behalten könne. Also, meißelte man mir vier andere, gesunde Zähne heraus und brachte eine Spange an, welche die entstandenen Lücken schließen sollte.

Mir hatte allerdings niemand erzählt, was für wahnsinnige Schmerzen so eine Klammer mit sich bringen würde. Nicht nur, dass so ein Teil dermaßen s************** aussieht, dass man ernsthaft in Erwägung zieht, sich eine Magensonde legen zu lassen, um den Mund einfach zwei Jahre nicht aufmachen zu müssen - es tut auch einfach irre weh! Die Zähne stehen unter enormem Druck, da diese samt Wurzel und all dem Ballast, der sonst noch im Zahnfleisch hängt, verschoben werden. Versucht doch mal, eure linke Schulter so zu versetzen, dass sie an eure Hüfte dockt…kein Spaß! Es ist ein Gefühl als hätte man den Mund voller Nägel und so wird jede Mahlzeit zum Fakir-Training (ich wollte nie Fakir werden). Diesem Zustand verdanke ich übrigens die Fähigkeit, Pizza lutschen zu können.

Ein tolles Spiel war es auch immer, neue Möglichkeiten zu entdecken, die Brackets rauszubrechen. Das erste Mal passiert den Meisten Spangenträgern mit einem Biss in einen Apfel. Andere adäquate Mittel sind Glasflaschen, Pfirsichkerne oder mit ein bisschen roher Gewalt und Fleiß sogar Lakritz. Mein Rekord liegt bei drei Brackets in einer Woche. Da man allerdings jedes Mal wieder zum Arzt muss und dieser nach einiger Zeit stark an einem zu zweifeln beginnt, sollte man dieses Spiel nicht zu oft spielen.

Irgendwann hatte ich es dann schließlich überstanden und die Spange wurde wieder herausgenommen. Eben sah ich noch aus, als hätte ich eine billige Felge im Mund und dann strahlten einen plötzlich diese großen, weißen, unglaublich geraden Zähne an. Es war ein kleines bisschen Wiedergeburt. Die Reise war zu Ende.

Epilog: Als ich dann drei Jahre später schwitzend beim Kieferchirurgen lag, während dieser mit beiden Händen an einer großen Eisenzange zerrte, um meine Weisheitszähne aus dem aufgeschnittenen Kiefer zu reißen … ja, genau als mir ein neuer Schwall Tränen über die Wange herunter zu meinem Kinn lief, und sich dort mit Blut vermischte … da dachte ich kurz an den Grund meiner Spange zurück und lachte innerlich laut los.