Montag, 23. Dezember 2013

Einkaufen am 23.12. - Ein Zeugenbericht

Der Plan sieht vor, dass ich am 23.12. noch einmal ausrücke, um die letzten Geschenke zu besorgen. Der Großteil liegt bereits zu Hause, Ideen für den Rest habe ich im Kopf. Ich frage mich heuchlerisch: „Was soll schon schief gehen?“

Der Weg in die Stadt ist gespenstisch. Die Gesichter in der S-Bahn gucken verängstigt gen Boden. Jeder steht in einem inneren Monolog mit sich selbst. Ist man bereit für das Bevorstehende? Noch könnte man aussteigen, Weihnachten ausfallen lassen, das Land verlassen, eine neue Identität annehmen oder einfach klassisch vor den Zug springen. Während der Wagon uns in die Schlacht fährt, sieche in einem Gefühlsgemisch aus Selbsthass, Furcht und Resignation vor mich hin. Gepaart mit der Menge Adrenalin, das versucht, meinen Körper vom kompletten Zusammenbruch zu bewahren, lässt dieser Zustand des Öfteren einen jegliche Rationalität abhandenkommenden Gedankengang aufblitzen. Vielleicht sind die Geschäfte gar nicht so voll. Vielleicht haben alle einfach zu großen Respekt vor dem 23.12.. Heute gehen schließlich nur komplette Idioten einkaufen.

Hauptbahnhof, die Tür öffnet sich, ich trete ein in das schier endlose Heer von Idioten. Am 23.12. schaltet der Geist in der Stadt auf Schwarmintelligenz. Ich bin nun mehr Tier als Mann. Die Masse drückt mich ins erste Geschäft. Mit orientierungslosem Blick versuche ich, die Lage zu einzuordenen. Ich brauche Hilfe, weiß nicht, wo bzw. ob meine Geschenkideen hier kaufbar sind. Angestellte gefragt, Jackpot! Im Untergeschoss, ganz durch. Gefunden. Jetzt zur Kasse. Zehn Leute vor mir. Überraschend entspannt. Nach kurzer Wartezeit lege ich die Ware auf den Tresen. Schrecksekunde. Das Teamwork der Kassiererinnen schlägt fehl, der Artikel wird zweimal eingescannt. Ein lockerer Spruch bewahrt den Frieden in dieser Stresssituation. Der Schwarm ist angespannt. Ich werde ins nächste Geschäft getragen und fühle mich auf einmal, als müsse ich James Ryan finden. Der Saturnmarkt am Hauptbahnhof, Ort unendlich vieler Stunden spaßiger Shoppingkunst, stellt heute die vorderste Front dar, das Epizentrum. Es stehen mehr Menschen an den Kassen, als nötig wären, um noch bis zum 24. eine komplette Pyramide zu errichten, 2500 BC Style. Meine Körpertemperatur steigt spontan auf unangenehme 48 Grad. Ich blicke zur „Wir sind für Sie da“-Wand, wo die Bilder der Angestellten den lächelnden Kontrast zu ihren jetzigen Erscheinungen bilden. Jegliche Form der Menschlichkeit ist aus diesen Wesen gewichen. Sie funktionieren einfach nur noch. Nicht alle von ihnen werden es heute schaffen, zu mächtig ist der Schwarm, der hier mit voller Härte zuschlägt. Mein Selbsthass hat nun seinen Zenit erreicht. Ich stehe an einer Kasse an, die ich eigentlich gar nicht sehen kann. Stehe ich überhaupt an? Ich blicke auf die CDs in meiner Hand und ergreife mich bei dem Gedanken, ob deren Kanten scharf genug wären, mir die Pulsadern aufzuschneiden. Spätestens jetzt bereue ich es, dass ich den Rucksack voller Pfandflaschen habe, die ich auf dem Rückweg abgeben wollte. Ich muss sämtliche Bekleidungsschichten in meinen Armen balancieren, um nicht in Flammen aufzugehen.


Zeitloch. Ich stehe vor dem Geschäft, bin acht Jahre gealtert und um die Erkenntnis reicher geworden, dass ich nie wieder am 23.12. Geschenke einkaufen werde. Ich kann mir nicht vorstellen, was morgen am 24.12., in der Stadt los sein wird, weiß nur, dass ich nächstes Jahr dabei bin.

Dienstag, 12. Februar 2013

Der Überfall

Gestern Abend um 20:03 Uhr erlebte ich meinen persönlichen Albtraum:

Auf dem Weg ins Kino dachte ich zuerst, mir würde ein Bekannter gegen den Hinterkopf klopfen, im Sinne von "Hey, altes Haus, Überaschung! Party hardy!!" und so...

Als ich dann allerdings bemerkte, dass mir soeben eine Taube gegen die Mütze geflogen war, wäre ich als OCDler fast in Ohnmacht gefallen. Ich habe das gerade gekaufte Essen, das ich in der Hand hatte, weggeworfen und bin dann im Schock umgedreht und wieder nach Hause gegangen, um Mütze, Schal, Haare, Jacke, Tasche und Shirt zu waschen. Dann frisch und mit neuen Sachen wieder ab Richtung Kino.

Ich bin der Typ, den die Leute in der Stadt immer müde belächeln, wenn er panisch schreiend und mit den Armen rudernd Tauben ausweicht, die auf ihn zugeflogen kommen. Dadurch habe ich mittlerweile Reflexe wie Spiderman. Das scheinen die Tauben zu wissen, daher der Angriff von hinten. Das ist feige und lässt sie in meinem Ansehen noch weiter absinken.  

Nachts hatte ich dann auch tatsächlich Albträume.

Les Goonies?

Ist das Rassismus? Woher sollen die Franzosen bitte wissen, wie der Film heißt?


Dienstag, 1. Januar 2013

Silvester Raketenschutz

Mein Leben lang hatte ich bei Feuerwerk Angst, dass mir ein Holzstab ins Gesicht fliegt. Irgendwo müssen die ja runterkommen. Daher lebte ich bisher jedes Jahr für knapp 30 Minuten in einem Stadium aus Faszination und größtmöglicher Panik, ein Zustand, der einen die eigenen Grenzen erleben lässt. Aus Verzweiflung kniff ich mir bisher jedes Mal entweder unbeholfen die Augen halb zu oder verschränkte meine Hände vorm Gesicht als hätte ich einen Geist gesehen. Dieses Jahr konnte ich Silvester dank meines Raketenschutzes endlich komplett sorgenfrei genießen. Es war ein völlig neues Gefühl!


Montag, 10. Dezember 2012

Das Drama mit den Thriller-Tieren

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Haustiere in Thriller- bzw. Horrorfilmen sterben müssen (ähnlich dem Redshirt-Phänomen bei Star Trek): „Das Geheime Fenster“, „Kap der Angst“, „Dumm und Dümmer“, … die Liste ließe sich endlos weiterführen.
 
Wenn ihr also einen Thriller seht und in den ersten fünfzehn Minuten ein Tier durchs Bild irrt, versucht bloß keine emotionale Bindung zu ihm aufzubauen! Für mich als sehr tierlieben Menschen ist das kein einfaches Unterfangen. Ein Tier gewinnt mein Herz in der Regel schon in dem Moment, in dem ich es sehe und nicht gebissen werde.
 
Aus diesem Grund pausierte ich solche Filme oftmals beim ersten Erscheinen eines Tieres auf dem Bildschirm und dachte mir eine fiktive Zukunft für das süße Ding aus, in der es durch das zufällige Zusammenspiel eines Gendefekts und der Vergewaltigung des aus dem  lokalen Zoo entflohenen Affenmännchens „Robar“ (Details helfen dabei, die Story ernst zu nehmen), ein für alle Lebewesen extrem gefährliches Virus erschafft: Super-Mumps! Der Kopf der Erkrankten schwillt dabei solange an, bis er explodiert….die Opfer dieser Krankheit sind dazu verdammt, ein eintöniges Leben ohne Kopf zu führen, ein Zustand, der für viele das sichere soziale Abseits bedeutet. Der Tod des Tieres innerhalb der nächsten vier Szenen ist somit für den Fortbestand des Lebens auf der Erde von enormer Bedeutung!
 
Dem Super-Mumps-Szenario ist es geschuldet, dass ich schon des Öfteren für die übrigen anwesenden Zuschauer an scheinbar unpassendster Stelle anfing einfach laut zu lachen. Es waren unangenehme Momente des Missverstehens. Während viele traurig waren, dass der süße Rüde es nicht bis zum Abspann des Films geschafft hat, zog meine Freude darüber, dass das Leben auf der Welt weitergehen kann, den Zorn der übrigen auf mich. In solchen Momenten entsteht im Raum ein Konglomerat aus Wut, Trauer und Heiterkeit. Eine brisante Mischung! Da das Problem auf die mangelnde Aufklärungsarbeit zurückzuführen ist, trage ich seit einiger Zeit immer ein paar Kopien einer von mir verfassten Informationsbroschüre zum Thema Super-Mumps bei mir, die ich vor Beginn eines Films mit erklärenden Worten austeile. Seitdem lacht der ganze Saal!

Montag, 26. November 2012

Trash-Blog #1: Der Morgen


Der Morgen
 
Der Morgen fängt an wie jeder andere. Ich wache auf, mache mich fertig und esse einen Schokohasen. Der Weg nach Hamburg ist trist. Der Bus fährt ein Reh an. Oder war es eine alte Frau? Er fährt weiter. Ich komme an, in der Schule, gehe den Gang entlang. Etwas ist anders. Ich öffne die Tür und niemand ist da. Mist, wohl zur Zweiten! ... Ich warte vier Stunden auf meinem Platz. Doch es kommt niemand. Nur dieser Typ mit der Hausmeistermütze und dem kritischen Gesichtsausdruck. Er steht in der Tür und starrt mich nun schon seit 40 Minuten an. Macht mich nervös. Ich breche das Schweigen: "Ey!"... Keine Antwort. Eine Schweißperle bildet sich auf meiner Stirn. Dann wird mir klar, dass 'ey!' keine korrekte Frage darstellt. Ich versuche es erneut: "Ey?" Dieses mal klappts. Er zeigt eine Reaktion und hebt seinen Kopf zur Begrüßung. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Doch sein Ausdruck bleibt argwöhnisch. Irgendetwas ist seltsam. Dann fällt es mir auf. Fuc*! Ich habe keine Hose an! Ich sitze seit vier Stunden nur mit einem BH bekleidet in meiner verlassenen Klasse. Ich wache auf, es war nur ein Traum. Ich muss beim Warten eingeschlafen sein. Ich habe eine Hose an ... und einen BH ... aber das ist jetzt egal. Ich esse einen Schokoweihnachtsmann. Was will dieser stumme Hausmeister bloß von mir? Und dann öffnet er plötzlich seinen Mund: "Was willst du hier?" - "Ich warte auf meine Klasse, meine Mitschüler haben mir nicht bescheid gesagt, dass die ersten fünf Stunden ausfallen." Er schüttelt mit dem Kopf: "Du bist dumm oder?" Seine Frage irritiert mich. Die Schweißperle ist zurück. Doch die Stellung seiner Augenbrauen deutet Mitgefühl an. Er scheint es also ernst zu meinen. Da ich nicht weiß, wie ich antworten soll, beiße ich verlegen in den Weihnachtsmann. "Ihr habt Ferien!" Jetzt wird mir einiges klar. Er wollte mich nie aufgrund meines scharf aussehenden BHs vergewaltigen. Er dachte einfach, ich sei blöd, weil ich wieder vergessen habe, dass heute keine Schule ist. Er kann nicht wissen, dass mir das letzten Sommer dre mal passiert ist. Keiner kann das wissen.