Dienstag, 12. Juni 2012

Und wieder enttäuscht

Wie jedes Jahr habe ich auch am ersten Juni 2012 wieder alle meine Winterklamotten verbrannt, um meine Bereitschaft für den Sommer zu signalisieren. Dumm nur, dass der Sommer am zweiten Juni schon wieder zu Ende war…Nachdem mein letzter Blog über das Stranderlebnis noch die Hoffnung beherbergte, dass die „warme Jahreszeit“ dieses Jahr auch tatsächlich diesen Namen verdient hätte und ich am Tag darauf allerdings bei elf Grad in einem notdürftig aus fünf weißen Shirts zusammengeschneiderten Mantel durch die Stadt ging, wurde mir auf grausame Art bewusst, dass selbst Hoffnung heutzutage ein Luxusgut geworden ist. Positiv an dieser Situation war der Erkenntnisgewinn, dass durch den Shirtmantel ein Schamlevel erreicht wird, der dank der enormen Blutzirkulation zusätzlich wärmt! Aber so richtig freuen kann ich mich darüber auch nicht, wenn ich mir das Elend da draußen so ansehe. Heutzutage ist auf nichts mehr Verlass! Die Jahreszeiten reihen sich damit in eine lange Tradition gebrochener Versprechen ein. 


      Enttäuschung an sich fing wohl mit dem Fisch an, der damals vor ein paar Milliarden Jahren zu seiner Familie meinte „Ich geh mal kurz gucken, was es mit diesem ‚Land‘ so auf sich hat. Bin zum Abendessen zurück!“ Da diesem Fisch allerdings am Strand Beine wuchsen und er daraufhin als erstes Landlebewesen die Erde besiedelte, starb seine Fisch-Familie daheim vor Enttäuschung…und vor Hunger. Er sollte Essen mitbringen.
      Wir alle werden ständig enttäuscht. Allerdings gilt es dabei, verschiedene Abstufungen zu unterscheiden. Wenn meine Katze mir Mäuseinnerein auf den Boden kotzt, bin ich zwar schon irgendwie enttäuscht, aber nicht wirklich von ihr. Sie weiß es halt einfach nicht besser. Wenn sie mir Mäusinnereien aufs Kopfkissen kotzt, bin ich vielleicht noch etwas frustrierter, aber sie kennt schließlich das Prinzip des Kopfkissens nicht und ist somit wieder fein raus. Wenn sie den Kühlschrank öffnet, die Milch rausnimmt, Mäuseinnereien in den Karton kotzt, ihn wieder in den Kühlschrank stellt und mir nichts sagt, dann bin ich sauer. Wie ihr seht, ist es ein schmaler Grat zwischen Enttäuschung und Zorn.
      Wenn etwas so allgegenwärtig ist wie Ernüchterung, ist es auch kein Wunder, dass Leute versuchen, damit Geld zu verdienen und so hat sich auf diesem Gebiet tatsächlich eine eigene Profession entwickelt. Politiker haben es geschafft, komplette Existenzen auf geplatzten Versprechen aufzubauen und dieses Handwerk zu einer wahren Kunstform erhoben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der eben angesprochene Fisch auch irgendein Minister war. Meiner Meinung nach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Politiker auf Wählerfang auch besseres Wetter versprechen: „Wählt die ABC und wir garantieren durchschnittlich 25 Grad von Mai bis Oktober!“ Und Zack! Nuklearer Winter…Sicher ist Politik ein hochkomplexes Gebilde und für Außenstehende leicht zu kritisieren, aber irgendwie habe ich trotzdem das Gefühl, dass mir einige Politiker regelmäßig in die Milch kotzen.