Donnerstag, 9. Juni 2011

Ferkel-Schnupfen

EHEC ist noch immer allgegenwärtig und beherrscht die Medien wie kein zweites Thema. Während die Jüngsten unter uns Gurkensalat nur noch aus Erzählungen kennen und Tomatenverzehr sich mittlerweile zu einer gängigen Mutprobe entwickelt hat, wasche ich aus Nervosität seit einigen Tagen selbst Lachgummis mit heißem Wasser ab. Das Leben hat sich für uns alle verändert. Besonders für Vegetarier, die sich zurzeit unfreiwillig im Hungerstreik befinden.
Lasst uns nun aber kurz innehalten und in die Vergangenheit schauen, denn dies ist keinesfalls die erste Seuche, mit der wir es zu tun haben.

Während die Pest im Mittelalter die Hälfte der europäischen Bevölkerung dahinraffte und die Spanische Grippe zu Beginn des 20. Jahrhunderts in nur knapp zwei Jahren mehr Tote als der Erste Weltkrieg nach sich zog, suchte Anfang 2009 ein neues Ungetüm die Weltgemeinschaft heim...
In den Tagen des damaligen Terrors verfasste ich folgende Worte, ohne zu wissen, ob überhaupt noch jemand übrig war, der sie auch lesen würde können....
Es war Donnerstag der 30. April 2009. Ich zündete mir eine Kerze an, setzte mich in einen Raum ohne Schweine und fing an, zu schreiben:

Ferkel-Schnupfen

Es ist soweit, die Finanzkrise hat Sommerpause! Das Thema der Massenarmut ist nun allerdings dem nicht minder cooleren Thema des Massensterbens gewichen. Gestern waren wir arm, morgen sind wir tot. Ja, der Ferkel-Schnupfen hält den Globus in Atem. Und bevor ich (so wie wir alle) wohl in ziemlich genau zehn Tagen aus sein werde, wollte ich doch noch einen Blog dazu geschrieben haben.

Die Schweinegrippe ist zurzeit dermaßen „in“, dass alle großen Musikkonzerne sich mit Angeboten überbieten, um sie zu signen! Im Zuge dieses Hypes ist es nun auf einmal tabuisiert worden, mit Schweinen (ungeschützten) Geschlechtsverkehr zu haben. Wo soll das bitte enden?
Die ersten Fälle sind nun anscheinend auch in Deutschland aufgetreten. Falls man nun erkrankt, wird man daher lediglich auf eine Nummer degradiert: Fall 5, Fall 6,… Um jetzt noch Aufmerksamkeit zu erregen und am Ende des Jahres bei Jauchs Jahresrückblick eingeladen zu werden, muss man weg vom Schweine-Trend. Und „neu“ muss dabei nicht immer „neu“ sein. Das ist bei den Krankheiten wie mit der Mode oder Musik. Einfach mal gucken, was früher trendy war. „Inspiration“ ist das Schlagwort.

Es ist ziemlich sicher, dass derjenige, der jetzt mit Vogelgrippe eingeliefert wird (was selbst in der Hochphase dieser vergessenen Katastrophe eigentlich nie wirklich jemandem gelungen ist), definitiv sein Konterfei auf der 2009er Jahreschronik verewigt sehen wird (oder nicht, das ist ja leider das Problem mit solchen Krankheiten).

Noch mehr vintage wäre allerdings natürlich BSE. BSE gehört zu den Neunzigern wie Britpop oder Techno. Aber BSE…was war das noch mal? Ach ja, das war die Krankheit, die nicht durch Erreger, sondern durch die Medien übertragen wurde. Und eine ganze Nation wurde blöd:
„Oh nein, ich habe meinen Schlüssel vergessen…und vor acht Monaten hatte ich Ravioli! Mit Rindfleischfüllung!! Vergessen..Rind..ICH HABE BSE!!!“
Das Lustigste daran ist ja, dass die in den Neunzigern im Laufe des BSE-Hypes zu abertausenden geschlachteten Rinder, wohl heute noch im Gammelfleisch zu finden sind. Moment..Gammelfleisch? Was war das noch? Na ja, ist ja auch egal, wir haben ja jetzt was Neues, um uns zu fürchten.

Mittwoch, 1. Juni 2011

EHEC - Und morgen gibt es Esspapier

Ich schreibe aus dem Krisenherd
Aus Hamburg wo die Seuche gärt
EHEC, EHEC, und morgen gibt es Esspapier
EHEC, EHEC, was kann denn da die Gurke für?

Und jetzt alle!...

Anfang dieser Woche sah ich im Supermarkt vor mir an der Kasse einen Mitte zwanzig Jährigen, dessen kompletter Einkauf aus einer einzelnen Gurke bestand. Eine Gurke, sonst nichts. Sind das die neuen Emos? Oder stellte diese Aktion vielleicht eine Art Durchhalteparole dar? Nie wirkte ein Mann beim Kauf einer Gurke cooler als in diesem Moment. Fakt ist aber auch, dass ich ihn anguckte, als wäre er ein Außerirdischer. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf. 

Als ich die Gurke so beobachtete, wie sie harmonisch auf dem Laufband hin- und herrollte (ihr Protestmarsch?), war ich mir sicher, auf ihr ein Lächeln erkennen zu können. Bei all dem Hass, der diesem Gemüse in letzter Zeit entgegenschlug, war das auch nicht weiter verwunderlich. Dieses Exemplar hatte schließlich das zurzeit schier Unmögliche geschafft und wurde gekauft. Wofür diese Gurke allerdings im Endeffekt tatsächlich benutzt wurde, lädt zu verstörenden Spekulationen ein. Aber auf dem Laufband war sie glücklich und das ist schön.

Wenn ich zu Hause Essen mache, sind es meistens Sandwiches mit Gurken, Tomaten und Salat. Dank EHEC esse ich seit zwei Wochen nur noch Fischstäbchen...Und jetzt kam raus, dass Gurken doch nicht verantwortlich seien. Was dann? Da wünscht man sich doch das gute alte Dioxin-Ei zurück, da hatte man ein klares Feindbild. Oder die Vogelgrippe. Da musste man lediglich auf den Verzehr von Vogelfäkalien verzichten, eine Einschränkung, die für weit über die Hälfte aller Deutschen keine besonders große Umstellung darstellte. Meine Vitamine ziehe ich zurzeit aus Multivitamin Brausetabletten mit Orangengeschmack und Lachgummis. Der erste Salat nach der Krise wird ein Fest!
Welche Art von Lebensmittel war in den letzten paar Jahren eigentlich noch nicht wegen akuter Gesundheitsgefahr in den Medien? Vielleicht ist ja bald Wasser dran. Dann trinke ich nur noch Schokolade...Prost!