Donnerstag, 14. April 2011

Bieni Eye

Wer schon einmal einen Text von mir gelesen hat, erwartet nun sicher eine wirre Geschichte voller humoristischer Abenteuer. Doch heute verlasse ich die raue Welt der Zoten, denn es geht um Bienen...
 
Es begab sich letzten Montag, dass ich nachts nach dem Duschen und vor dem Filmgenuss (der sogenannten „Spitzenzeit“) neben meinem Bett eine kleine Biene in Totenstellung (auf dem Rücken liegend, Gliedmaßen um den Leib gewickelt) sah. Bei näherer Beobachtung bemerkte ich, dass sich eines ihrer Beinchen noch leicht bewegte. Hypnotisch winkte es mir in Zeitlupe zu, als wollte es sagen „Komm her und küss mich, ich bin ein verzaubertes Einhorn“. Es war also noch Leben in dem süßen Biest. Sofort sprang der Retterinstinkt in mir an und ich hob das Tier auf und tropfte ein wenig Wasser vor dessen Kopf. Und tatsächlich, ein kleiner Rüssel streckte sich aus und ich sah sogar, wie eine winzigkleine Zunge rein und raus flutschte. Dieses Schauspiel beeindruckte mich enorm. Die Biene trank meines Erachtens recht viel. Einmal habe ich sogar nachtropfen müssen. Danach fragte ich mich, was Bienen eigentlich essen. Im Internet fand ich heraus, dass Zuckerwasser ihnen als Nahrung dienen könne, woraufhin ich gleich eine Ladung des süßen Saftes zubereitete. Und zack! Da war der Rüssel wieder. Ich bin mir ziemlich sicher, ein zufriedenes Lächeln in ihrem Gesicht erkannt zu haben.  

Ich war mittlerweile bereits eine halbe Stunde mit dem Tier beschäftigt. Es wirkte noch recht schwach und ich wollte es nicht in diesem Zustand in die kalte Großstadtnacht entlassen. Daher machte ich zwei neue Tropfen auf die Fensterbank (Wasser und Zuckerwasser), holte eine durchsichtige Müslischale und legte diese über die Tropfen und die Biene. Ich hob die Müslischale am Rand etwas an und quetschte gefaltetes Haushaltspapier dazwischen, damit sich die Biene dort verstecken konnte und so auch ein Spalt für Luft entstand. Dann guckten wir einen Film und schliefen ein...vorher pischte sie allerdings noch auf die Fensterbank.

Am nächsten Tag wollte ich das erholte und gestärkte Tier freilassen und setzte es morgens auf den Fenstersims im Badezimmer. Allerdings schien die Biene von diesem Vorhaben nicht wirklich begeistert zu sein. So saß sie nun dort und guckte mir von draußen durchs Fenster hinterher, wie ich gebrochenen Herzens die Wohnung verließ. Abschiede fallen mir schwer.

Wieder zu Hause angekommen, guckte ich sofort auf den Sims und fand sie dort tatsächlich immer noch unter einem kleinen Blatt kauernd in einer Ecke. Da sie anscheinend noch keine weiteren Dates geplant hatte und zudem auch nicht in der Verfassung zu sein schien, eine harte Aprilnacht zu überstehen, nahm ich sie wieder mit in mein Zimmer und baute ihr Gehege etwas aus. Sie bekam nun einen portablen Teller als Untersatz und wie gehabt Müslischale und Haushaltspapier. Aus Frischhaltefolie baute ich zudem einen Trog für das Zuckerwasser.

Mittwoch wurde sie etwas aktiver in ihrem Gehege und wanderte viel herum. Ich dachte, dass sie nun vielleicht bereit wäre, für den Schritt in die Natur. Ich nahm das Haushaltspapier, auf dem sie saß und klemmte es ins Fenster, so dass es nicht mit ihr wegflog, sie also Zeit hatte, zu entscheiden, wann sie loslassen wolle. Abends war sie allerdings immer noch da und ich nahm sie wieder mit in ihr Schlafquartier.

Heute Nachmittag hatte sie es tatsächlich geschafft, durch den Luftspalt unter der Schale zu kriechen und wanderte über meinen Schreibtisch. Sie flog auch kurz in Richtung Fenster (sie kann fliegen), machte allerdings wieder keine Anstalten, auch wirklich raus zu wollen. So ließ ich sie einfach weiter frei auf dem Schreibtisch herumwandern und nahm sie schließlich wieder unter die Müslischale, als sie eingeschlafen war.

Mittlerweile habe ich eine Beziehung zu ihr aufgebaut. Ihr Name ist Bieni Eye. Von der Körpergröße wohl eher Model Blütenstaubsammler, also working class. Ich möchte hier noch einmal klarstellen, dass ich mich sehr wohl um eine möglichst angenehme Haltung bemühe und ich wiederholt versucht habe, sie in die Natur zu entlassen. Aber es ist ihr wohl noch zu kalt. Daher werde ich noch ein paar Tage mit meiner neuen Mitbewohnerin verbringen. Der Abschied wird mir schwer fallen...man hat ja schon irgendwie eine gemeinsame Geschichte.



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